KUNST – KÜNSTLER – MORAL
Kleine Zeitung, 19. November 2009
„Hoffen auf ein Pfingstwunder“
Emil Krištof und Gerhard Pilgram erhalten den
Vinzenz-Rizzi-Preis 2009.
Ein Gespräch über Kärntner Kulturpolitik und 23 Jahre
Unikum.
Als
Hauptakteure des Universitätskulturzentrums werden Sie am kommenden Montag mit
dem Vinzenz-Rizzi-Preis der Kärntner Slowenenverbände ausgezeichnet. Was
verbindet Sie mit dem Namensgeber des Preises?
GERHARD
PILGRAM: Ich persönlich habe den Preis schon deshalb verdient, weil
ich in Klagenfurt an der Ecke Beethovenstraße und Vinzenz-Rizzi-Straße wohne
und dort jedes Jahr doppelt soviel Schnee schaufeln muss.
EMIL
KRISTOF: Rizzi scheint jedenfalls jemand gewesen zu sein, der sich
um nationale Gegebenheiten nicht viel geschert hat. Als Deutschliberaler hat er
sich für die Gleichberechtigung der Völker in der Monarchie eingesetzt und zum
Erlernen der slowenischen Sprache aufgefordert.
Was
auch ein Anliegen von Unikum ist und gleichzeitig zeigt, wie mühselig eine
solche Verständigungsarbeit ist. Immerhin sind seit dem Tod von Vinzenz Rizzi
mehr als 150 Jahre vergangen.
KRISTOF: Ich
denke, dass unsere Arbeit, die wir seit nunmehr 23 Jahren machen, als
Alternative zur Heimattümelei und Huldigungskultur im Lande wahrgenommen wird.
Indem wir zum Beispiel
„Das Weite suchen“ und
unsere Arbeit „In die letzten Täler“ verlagern, um dort zeitgenössische Kunstprojekte zu
realisieren. Und damit Leute erreichen, die mit dem Kunstbetrieb wenig am Hut
haben. So gesehen, sind auch unsere geführten Wanderungen und Kunstaktionen im
ländlichen Raum durchaus politisch.
Mit
welcher Zielrichtung?
PILGRAM: Dass sie
Vorurteilen und Chauvinismen entgegenwirken und den Respekt vor der Kultur der
Nachbarn und sprachlichen Minderheiten fördern. Dass sie ein Bewusstsein für
alte Kulturlandschaften und die Auseinandersetzung mit der Baukultur bewirken.
Auf diese Weise sind wir zwar bodenständig, aber hoffentlich nicht provinziell.
Weil wir spielerisch und mit Neugier an die Sache herangehen und Kunst nicht
als Selbstzweck betrachten, sondern als Mittel zur gesellschaftlichen
Reflexion.
Von
Seiten der Politik wird dies nicht unbedingt geschätzt. Oder hat sich das unter
dem neuen Landeskulturreferenten geändert?
KRISTOF: Leider
nein. Die Kulturpolitik des Landes, aber auch der Stadt Klagenfurt, hat
das Unikum in den vergangenen 10 Jahren mehr oder weniger von ihrer
Subventionsliste gestrichen, obwohl wir uns vom lokalen Veranstalter zur
grenzüberschreitenden interdisziplinären Kulturinitiative entwickelt haben. Was
man in Brüssel und Wien schätzt und auch entsprechend fördert, ist der
Kulturabteilung des Landes keinen Cent wert. Das Gute daran: Wir haben uns
endgültig vom Kleinmut und Lokalpatriotismus dieses Landes emanzipiert und
können auf das Wohlwollen einer phantasielosen kulturpolitischen Nomenklatura
verzichten.
Wie
beurteilen Sie die kulturpolitische Situation generell in Kärnten?
PILGRAM:
Kulturpolitik im Sinne einer gestalterischen Kraft ist kaum mehr auszumachen.
Während Haider noch einen akzentuierten Kulturkampf gegen freie
Kulturinitiativen und unbequeme Künstler geführt hat bzw. auf die so genannte
Volkskultur und Mega-Events gesetzt hat, begnügt sich sein konfliktscheuer
Nachfolger mit der Verwaltung des Mangels und der Einfallslosigkeit. Eine
Auseinandersetzung mit Kultur findet von politischer Seite nicht mehr statt,
und umgekehrt scheinen sich auch die meisten Künstler von der Politik
abzuwenden. Die Situation ist trostlos: Die Kultur der slowenischen Minderheit
wird nach wie vor marginalisiert; junge Kulturschaffende – und das war schon in
sozialdemokratischer Zeit so – haben so gut wie keine Chance, etwas Neues
aufzubauen; die Szene ist weitgehend ausgehungert. Dass der kulturelle
Höhepunkt des Jahres der „Heimatherbst“ ist, sagt bereits alles.
Haben
Sie einen kulturpolitischen Wunsch ans Christkind?
PILGRAM: Wir
hoffen, dass endlich ein Pfingstwunder über das Land kommt und die Kärntner in
allen Sprachen zu reden beginnen.
INTERVIEW: ERWIN HIRTENFELDER
Verleihung des Vinzenz-Rizzi-Preises:
23.11, 19.30 Uhr, k&k-Zentrum St. Johann im Rosental/Sentjanž v Rožu.
Laudatio: Univ.-Prof. Petra Hesse (Uni Klagenfurt)
KTZ, 19.11.2009
KOMMENTAR
VON BERTRAM KARL STEINER: Mono-Unkultur statt Tradition?
,,IUSTITIA REGNORUM FUNDA-MENTUM´´ – steht am Äußeren Burgtor in Wien
geschrieben: Gerechtigkeit ist das Fundament der Staaten. Die Inschrift ist
lateinisch, nicht deutsch. Warum? Das Lateinische erinnert uns Österreicher,
Europäer, Weltbürger daran, dass wir nicht allein, ohne Ahnen und ohne
Nachkommen, im Hier und Jetzt leben, sondern dass wir in jeder Hinsicht Erben
sind. Diese Wahrnehmung der Gegenwart als Glied in einer Kette von Generationen
war den Menschen des frühen 19. Jahrhunderts noch ganz selbstverständlich.
Nichts ist für eine Zivilisation verderblicher, als der Versuch, mit Geschichte
„Tabula rasa“ zu machen, dieselbe auszulöschen, wie das übrigens der
Originaltext der „Internationale“ fordert … Auf Kärntner
Verhältnisse heruntergebrochen, erscheint die abstrus wütende Hysterie von BZÖ,
ÖVP und FPÖ gegen Ortstafeln in der, durch die Generationen, gleich dem
Deutschen ehrwürdigen slowenischen Sprache als Verleugnung der Geschichte, der vielstimmigen
Identität Kärntens. Wer „Eindeutschung“ so betreibt, der müsste
konsequenterweise auch die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg (Warn ja kane
Deitschkärntna nit) zuschütten und die lateinischen Inschriften in unseren
Kirchen löschen:
Eine Mono-Unkultur würde Kärnten begraben.
bertram.steiner@ktz.at